Chronik der Krankenpflegestation
Auszug aus der 2005 erschienenen Festschrift: 40 Jahre Matthäuskirche Gerlingen
Chronik der Krankenpflegestation
Am 1. März 1973, mit dem Arbeitsbeginn von Schwester Gundula Abraham, nahm die Krankenpflegestation der Matthäusgemeinde ihren Dienst auf. Schon seit längerem hatte sich der Kirchengemeinderat mit der Frage beschäftigt, wie eine eigene ambulante Krankenpflege auf der Höhe realisiert werden könnte. Nach vielen Gesprächen mit der Stadt und nachdem eine Umfrage unter den Bewohnern eine weitgehende Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung ergeben hatte, wurde ein Vertrag zwischen der Matthäusgemeinde und der Stadtverwaltung geschlossen, der die Anstellung einer Krankenschwester bei der Matthäusgemeinde vorsah. Die Kosten für eine 50% Stelle sollten zur Hälfte von der Stadt, zur anderen Hälfte von einem neu ins Leben gerufenen Krankenpflege-Förderverein sowie der Kirchengemeinde getragen werden. Dieser erreichte bald nach seiner Gründung mehr als 250 Mitglieder. Von Anfang an war deutlich, daß die Krankenpflege für das ganze Wohngebiet der Höhe zuständig sein sollte, " die Kranken .im Geist christlicher Nächstenliebe zu pflegen und ihnen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren in Notfällen zu helfen", wie es hieß. Auch als 1976 die Sozialstation als Zentralstelle sozialer Dienste in Gerlingen errichtet wurde, blieb die Krankenpflegestation der Höhe selbständig. Im selben Jahr übernahm Schwester Helga Ziegler diesen Dienst. Diese Anstellung erwies sich für die Gerlinger Höhe als eine glückliche Fügung. Frau Ziegler hat bis zur Pensionierung 1999 als verantwortliche Schwester für die Station gewirkt, danach bis zur Übergabe an die Sozialstation als ständige Aushilfe gearbeitet und ihr Engagement heute im Besuchsdienst ehrenamtlich fortgesetzt. In diesen 28 Jahren ist sie zu einer richtigen Institution auf der Höhe geworden. .
Die Krankenpflegestation wurde in den ersten Jahren fast nur von den Beiträgen der Mitglieder, der Kirchengemeinde und von der Stadt getragen. Gebühreneinnahmen spielten kaum eine Rolle, da die Kassen damals nur in wenigen Fällen und Mitglieder des Krankenpflegevereins gar nichts bezahlten . Dies änderte sich über die Jahre. Die Regelungen für die Krankenpflegedienste wurden so verschärft, daß Ende 1985 die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kirchengemeinde in einem formellen Kooperationsvertrag besiegelt werden mußte, in dem auch erstmals eine Einnahmen- und Kostenteilung für unserer Station vereinbart wurde. Bis 1991 war der Bedarf an ambulanter Pflege auf der Höhe so stark angestiegen, daß eine Personalaufstockung unvermeidbar wurde. Frau Beschorner trat eine zweite 50%-Stelle an; sie wurde 1993 von Fau Kandler abgelöst. Anfang der Neunziger Jahre kam mit dem Pflegegesetz die Neuordnung der ambulanten häuslichen Pflege, bei der unsere Station einen Teil ihrer Eigenständigkeit verlor. So wurde z.B. eine Pflegedienstleitung vorgeschrieben, so daß die Station fachlich der Sozialstation unterstellt werden mußte. Dazu wurde 1995 ein neuer Kooperationsvertrag geschlossen, in dem die Zuständigkeit für die Gerlinger Höhe und der Grundsatz der Kosten- und Einnahmen-Teilung bestätigt wurde.Von den Kassen wurde eine Pflegedokumentation zusätzlich gefordert, was den Zeitdruck bei den Behandlungen erhöhte. In dieser Situation entschloß sich der Kirchengemeinderat, aus den Mitgliedsbeiträgen 10 % der Dienstzeit der Schwestern als "Extrazeit" zu finanzieren, für ein kleines Gespräch nach der Behandlung oder für einen zusätzlichen Besuch. Das neue Pflegegesetz führte in der Folgezeit zu steigender Auslastung, 1997 traten Frau Projahn und 1998 Frau Heinrich als Krankenschwestern ein, Frau Benz half immer wieder aus, wenn notwendig, wie auch früher schon Frau Staiger und Frau Laible.
Das Jahr 2001 wurde zu einem turbulenten Jahr für die Krankenpflegestation: Die Auslastung war so groß, daß die angesammelten Zeitguthaben aus Überstunden auf mehrere Monate aufgelaufen waren. Die Abrechnung für das Jahr 2000 ergab erstmals ein gefährliches Defizit. Und dann kündigte die Stadt den Kooperationsvertrag auch noch fristgerecht zum 31.12.2001. Obendrein war in diesen Monaten die Pfarrstelle durch den Weggang von Dr. Hermle vakant. Der hatte vor seinem Ausscheiden Dr. Hartmut Debler gebeten, für die Zeit der Vakanz Frau Moser bei der Leitung der Station zu helfen. Daraus wurde dann in Anbetracht der schwierigen Situation ein andauernder Auftrag des Kirchengemeinderates zur ehrenamtlichen Geschäftsführung. Mit der Kündigung des Vertrages wollte die Stadtverwaltung - wie sich schnell herausstellte - nicht die Kooperation selbst, sondern die Bedingungen dafür ändern. Nach ihrem Wunsch sollte die Matthäusgemeinde zukünftig die Krankenpflegestation finanziell allein tragen und zugleich sich in weit höherem Maße als bisher an den allgemeinen Kosten der Sozialstation beteiligen. Da ein Kooperationsvertrag Voraussetzung für die Abrechnung mit den Krankenkassen war, blieb wenig Verhandlungsspielraum. Ab 2002 war die Station finanziell auf sich selbst gestellt.
Mit dem steigenden Bedarf an Pflegeleistungen geriet die Station Anfang 2002 in schweres Fahrwasser. Der Arbeitsmarkt für den häuslichen Pflegebereich war fast leer gefegt, nur durch Anwerbung von temporär und geringfügig Beschäftigten gelang es , den Dienst aufrecht zu halten. Die Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege sind natürlich belastend: der Dienst ist auch körperlich sehr anstrengend und das vormittags und abends an sämtlichen Kalendertagen des Jahres, ein Schild "wegen Krankheit/Urlaub vorübergehend geschlossen" ist in der Krankenpflege ausgeschlossen. Mitte 2002 trat eine weitere Sorge hinzu. Die erste Abrechnung der Stadt nach dem neuen Kooperationsvertrag zeigte ein Defizit für unsere Station auf, das deutlich über unseren Befürchtungen lag. Zudem war eine Novellierung des Pflegegesetzes in der Diskussion, die eine weitere Einschränkung unserer Eigenständigkeit durch eine noch engere Anbindung an die Sozialstation unvermeidlich zu machen schien. In dieser Situation machte der Kirchengemeinderat eine grundlegende Positionsbestimmung und er kam zu dem Schuß: die Krankenpflegestation ist zu klein, ein eigenständiges Profil ist kaum noch zu bewahren und die finanziellen Risiken sind weit höher als der kleine Kirchenhaushalt tragen kann. Daraus entstand dann ein Beschluß, der allen außerordentlich schwer fiel, nämlich die Krankenpflegestation vollständig an die Sozialstation zu übertragen. In diesem Punkt zeigte sich die Stadt sehr entgegenkommend: sie bot die Übernahme aller Pflegekräfte in die Sozialstation an und gewährleistete auch, daß die Mitglieder des Krankenpflegevereins weiterhin dieselben Vergünstigungen erhalten wie bisher. Dafür unterstützt der Verein mit einem Teil seiner Beitragseinnahmen zukünftig die Sozialstation. Damit war unser vordringliches Anliegen erfüllt, daß nämlich unsere Patienten diesen Übergang zum 1.1.2003 kaum spüren sollten.
Diese 30 Jahre Krankenpflegestation spiegeln gleichsam die Veränderungen in Deutschland wider; nicht von ungefähr war die Krankenpflegestation der Matthäusgemeinde die letzte ihrer Art in der Landeskirche. In all den Jahren ging es nicht nur um medizinische Pflege, gerade mit Langzeitpatienten hatte sich häufig ein persönliches Verhältnis entwickelt. So manche Schwester kannte die Familiengeschichte, hielt telefonisch Kontakt zu Angehörigen, wußte um die persönlichen Nöte, sollte manchmal sogar die Stellen kennen, wo Schmuck und wichtige Unterlagen versteckt waren , und war eine Vertraute, die auch zu Hause bei wichtig erscheinenden Problemen angerufen wurde ( und dabei auch sehr viel Freizeit opferte). Angesichts dieser Erfahrung und im Bewußtsein, daß die heutigen Pflegebetriebe dafür kaum noch Luft haben, wollte sich die Matthäusgemeinde nicht vollständig aus dieser Aufgabe zurückziehen. Die Idee wurde geboren, einen Dienst zu gründen, der betreuungsbedürftige Mitbewohner zu Hause besucht und im Gespräch versucht, zur seelischen Pflege beizutragen. Dieser Besuchsdienst - wie es jetzt genannt wird - sollte von angestellten Mitarbeitern aufgebaut werden, die aus den Mitgliedsbeiträgen finanziert werden sollten. Diese wiederum sollten weiterhin auch ehrenamtliche Mitarbeiter an Klienten vermitteln und sie unterstützen. Zwei Jahren danach können wir mit Genugtuung feststellen, daß diese Idee aufgegangen ist, derzeit sind zwei professionellen und weitere sechs ehrenamtliche Mitarbeiter im Besuchsdienst engagiert. Und so sind wir zuversichtlich, daß wir Ende 2002 nach 30 Jahren Krankenpflegestation nicht das ganze Buch, sondern nur ein Kapitel geschlossen und ein neues anderes aufgeschlagen haben - in der Hoffnung, daß die Bewohner der Gerlinger Höhe diesen Dienst durch ihre Mitgliedschaft auch weiterhin tragen.